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Über Dr. Julius Kolatschek - Evangelischer Pfarrer in Hillersdorf 1878-1882

Evangelisch-Lutherische Kirche A.B. in Nieder-Hillersdorf

Evangelisch-Lutherische Kirche A.B. in Nieder-Hillersdorf

Evangelisch-lutherische Kirche A.B. in Nieder-Hillersdorf

Dr. Julius Kolatschek ein Theologe aus Biala/Galizien hat in Preßburg, Wien und Tübingen studiert und in Tübingen auch den Dr.phil. erworben. In Wien versuchte er 1856 zu habilitieren, was Ihm jedoch nicht gelang. Im November 1873 heiratet er in aller Stille seine Frau Auguste, geb. Huebmer aus Naßwald; eine geschiedene Frau , für die damalige Gesellschaft ein Skandal sondergleichen. Er wirkte als Pfarrer in verschiedenen Gemeinden der k. u. k. Monarchie; zuletzt in Villach, wo er im Jahre 1900 gestorben ist (Quelle: vgl. ex. Links). Im Wiener Neustadt verfasste er im Auftrage des Wiener Hauptvereines der Gustav Adolf-Stiftung 1869 das Buch - Die evangelische Kirche Österreichs in den deutsch-slavischen Ländern [1]. In Hillersdorf war er als Pfarrer sehr rege und beliebt, wenn er auch für die Obrigkeit nicht immer bequem war. 1882 eskalierten die Meinungsverschiedenheiten und es konnte in Hillersdorf kein Weihnachtsfest gefeiert werden!

Auszug aus Gedenkblätter der evangelischen Kirchengemeinde Hillersdorf in Österreichisch-Schlesien [2]

Buchtitel, Gedenkblätter der evangelischen Kirchengemeinde Hillersdorf in Österreichisch-Schlesien

Offener Brief an den Superintendent in Teschen

Hochwürdiger Herr!

Die Christenheit feiert heute Weihnachtsfest. Auch die evangelischen Gotteshäuser Österreichs haben heute für die Menge der Gläubigen ihre Pforten aufgetan. Auch in den evangelischen Kirchen der Schlesischen Heimat wird heute das beseligende Weihnachtsevangelium für Alt und Jung verkündet. Weihnachten sind für alle ein Freudenfest worden - für alle, mit Ausnahme der großen Gemeinde Hillersdorf. Hillersdorf feiert keine Weihnachten! Die helle Freudenzeit ist der Gemeinde eine Zeit der tiefsten Trauer und schmerzlichsten Betrübnis worden. Keine Glocken haben heute am großen Festtage die Gläubigen zur gemeinsamen Andacht gerufen. Das Gotteshaus ist gesperrt. Die Gemeinde kann nicht ihr Weihnachtslied singen, kann sich nicht laben und erquicken an der Predigt des Gottestwortes! Und warum? Fehlt uns etwa die Stätte gemeinsamer Anbetung? Fehlt uns der Prediger? Erscheinen die Gemeindeglieder vom Unglauben geschlagen, der die Stätten der Gottesanbetung meiden lehrt?
Nichts von alledem!

Wir haben eine turmgeschmückte, schöne und große Kirche! Wir haben einen Selsorger und Prediger in unserer Mitte, der von dem verstorbenen Oberhirten der M.S.Diözese eine "Perle der evang. Geistlichkeit Österreichs" genannt wurde und an dem die hiesige Gemeinde mit aller Liebe und Begeisterung hängt, weil er das lautere Bibelwort als eine beseligende Kraft Gottes verkündet! Wir haben neben ganz vereinzelten Ungläubigen die große Menge, welche Religion und Kirche, wie einstens unsere Väter, hoch und heilig hält! Gestern am heiligen Abend und auch heute am großen Festtage wären die Glieder der Gemeinde von nah und fern zu tausenden gekommen, um sich an der Geburtsstätte des Weltheilandes mit Gesang und Gebet und an der begeisterten Predigt des Lebenswortes zu erbauen! Und doch kein Weihnachtsfest, kein Gottesdienst, kein Weihnachtslied, keine Weihnachtspredigt, keine Erbauung, keine Freude - sondern eine geschlossene verödete Kirche, eine stumme Orgel, ein stummer Altar, eine stumme Kanzel, nur Trauer und Betrübnis, nur Seufzer und Wehklagen in der ganzen Gemeinde! Warum dieser Schmerz, warum diese Schmach für 6000 Selen zählende evang. Kirchengemeinde Hillersdorf ? - so fragen wir mit tief erregten Herzen aufs neue.

Sie hochwürdiger Herr Superintendent!
Sie haben die Gemeinde Hillersdorf in solche schwere Trauer und Betrübnis und in die tiefste Erregung versetzt!
Sie haben gestern am heiligen Abend und heute am großen Festtage unser Gotteshaus für tausende mit unsichtbarer Hand geschlossen!
Sie haben unsere Weihnachtsglocken und unsere Orgel verstummen gemacht!
Sie haben die Verödung der heiligen Räume und heiligen Stätten herbeigeführt!
Sie haben die fröhliche Weihnachtszeit für alle Glieder unserer großen Gemeinde zu einer Zeit der Trauer und der Schmach umgewandelt! Denn auf die eindringlichste Bitte des hiesigen Presbyteriums, den in unserer Mitte weilenden Pfarrer Herrn Dr. Kolatschek mit der Abhaltung der Weihnachtsgottesdienste zu betrauen, hatten Sie nur die kurze, weltlich vornehme Antwort: «Es wird dem Presbyterium eröffnet, dass die Superintendentur dem Pfarrer Dr. Kolatschek nicht gestatten kann, in Hillersdorf zu predigen oder geistliche Amtshandlungen zu verrichten.»

Die ganze Gemeinde empfindet eine solche Behandlung als eine kaum noch zu ertragende Schmach und Schande. Unser hochverehrter und geliebter Pfarrer, dessen Amtsführung selbst von Gegnern und Feinden in jeder Beziehung als musterhaft anerkannt werden muss und der unsere Gemeinde nur darum verlassen will, um den ihm aufgedrängten, aufreibenden Kämpfen mit Ihnen auszuweichen, wird von Ihnen so behandelt und vor der Öffentlichkeit in den Schein gestellt, als wenn er seines Amtes entsetzt worden wäre!! das stimmt nicht mit den Forderungen des 8. Gebotes. Je dankbarer und teurer die Herzen an dem vielgeprüften und verfolgten Manne hängen, um so mehr muss eine solche Behandlung geradezu als eine mit Gotteswort und Kirchenverfassung im Widerspruch stehende Misshandlung der ganzen Gemeinde empfunden werden. Wenn wir heute noch schweigen wollten, müssten die Steine zu reden anfangen. Und in der Tat, unser am Weihnachtsfeste geschlossenes Gotteshaus schreit heute zum Himmel empor und erzählt von unserer unglaublichen Not, von unserer Schmach, von unserem Schmerz, von unseren Seufzern und Tränen. Wir haben kein hundertjähriges Jubiläum der Einweihung unseres Gotteshauses feiern können, wir haben kein erbauliches Erntefest, kein herzerhebendes Reformationsfest, kein Totenfest, keinen Bußtag gehabt - weil unserem hochverehrten Pfarrer der Fuß gebunden, der Mund geschlossen wurde!

Nein, wir können, wir wollen um unseres Gewissens und der Ehre des evang. Namens willen die Not und Schmach nicht länger tragen. Und da bisher all' unser Vorstellen, Bitten und Flehen vergeblich gewesen und fruchtlos geblieben ist, so treten wir notgedrungen an die Öffentlichkeit und beschwören Sie: Lassen Sie ab, hochwürdiger Herr Superintendent! die Gemeinde Hillersdorf noch tiefer in die Bedrängnis und Schmach und in die Erbitterung hinabzustossen! Drängen Sie uns nicht zum äußersten! Seien Sie ein gedenk des apostolischen Wortes: "Weidet die Herde Christi, so euch befohlen ist, nicht als die über das Volk herrschen" (1 Petr. 5, 2)! Seien Sie ein Gehilfe unserer Freude und nicht ein Herr über unseren Glauben und unser Gewissen! Was in den letzten fünf Monaten, seitdem unser Pfarrer nicht mehr seines heiligen Amtes in unserer Mitte waltet, an der gedeihlichen äußeren und inneren Entwicklung, an dem Frieden, an der Ehre und Wohlfahrt unserer Gemeinde durch eine nicht entsprechende Behandlung derselben verschuldet worden ist, wird auch in Jahren nicht wieder gut gemacht werden können. "Gott Zebaoth, wende Dich doch, schaue vom Himmel und siehe an und such heim diesen Weinstock, und halte ihn im Bau, den Deine Rechte gepflanzt hat und den Du Dir festiglich erwählt hast. Siehe darein und schilt, dass des Brennens und Reissens ein Ende werde!" (Pslam 80, 15-17)

Hillersdorf in österr. Schlesien, am 25. Dezember 1882

Das Presbyterium der evang. Kirchengemeinde Hillersdorf.

Kurator Friedrich Groß, Vorsitzender; Ernst Scharbert, Ernst Schindler, Traugott Strauch, Ludwig Jorde, Ernst Hein, Josef Kroker, Gustav Bischof, Wilhelm Fuhrmann, Wilhelm Böhm, Johann Schmidt, Adolf Prosche, Alois Larisch, Adolf Schindler, Ernst Engelmann, Albert Schindler, Wilh. Gertsberger, Rudolf Groß, Ernst Hanke, Ludwig Groß, Peter Riedel, Gottlieb Escher, Eduard Kandler, Benjamin Kittel.

Literaturhinweis:

  1. Die evangelische Kirche Österreichs in den deutsch-slavischen Ländern - Im Auftr. d. Wiener Hauptvereins der Gustav Adolf-Stiftung bearbeitet und herausgegeben von Dr. Julius A. Kolatschek. - Wien : Selbstverlag, 1883. - Hillersdorf siehe S.137.
  2. Gedenkblätter der evangelischen Kirchengemeinde Hillersdorf in Österreichisch-Schlesien: aus den Jahren 1878 bis 1882 - im Auftr. d. Presbyteriums hrsg. von F. G. Adolf Weiß. - Leipzig : J.H. Webel, 1883.
  3. Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Biala in Galizien: als Beitrag zur Geschichte des österreichischen Protestantismus überhaupt nach den Quellen mit Hinzufügung der wichtigsten Urkunden bereitgestellt von Dr. Julius Albert Kolatschek. - Teschen 1860, Buchdruckerei von Karl Prochaska. - Hillersdorf siehe S.111.
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